Ich musste raus.
Am Sonntag fand die erste Veranstaltung im neuen Kulturraum der Gemeinde Hötensleben statt. Die Einweihung war so, gar nicht geplant und der Raum war auch noch nicht bespielbar, daher geht der erste Dank vorneweg an die Theatergruppe und die Gemeindearbeiter, die den Raum herrichteten. Kurzfristig konnte wie aus dem Zufall heraus eine hochkarätige Veranstaltung gebucht werden, die allerdings aus Absagen von anderen Veranstaltern erst möglich wurde. Es war nur knapp eine Woche zur Bewerbung Zeit. Daher geht der nächste Dank an die Presse und an alle die, die Plakate klebten und Handzettel verteilten. Ermöglicht haben die Veranstaltung allerdings erst die Landesbeauftragte für die Aufarbeitung der Verbrechen der SED-Diktatur, Frau Neumann Becker, die „Gedenkstätte deutsche Teilung“ Marienborn und die Gemeinde Hötensleben. Der Raum war übrigens bis zum Bersten gefüllt. Die Zuschauer besorgten sich schon zusätzliche Stühle und setzten sich in die Gänge.
Zu Gast waren der Schauspieler Ludwig Blochberger und der klassische Schlagzeuger Stefan Weizierl.
„Ich musste raus-Fluchten aus der DDR“ gibt Fluchtgeschichten wieder, die auf ein Buch von Constantin Hoffmann aufbauten, die ausnahmslos detailliert und spannend erzählt wurden. Heute wird in vielen Berichten nur noch über die spektakuläre Flucht berichtet, der Abend erzählte aber auch fesselnd über die Gründe der Menschen. Die Geschichten zeigten diverse Facetten des Lebens in der DDR sowie verschiedene Fluchtgründe und Möglichkeiten, dem Land zu entfliehen. Ob es um die Flucht über die Ostsee, das Verlassen der DDR in einem Kofferraum, der Flucht über Ungarn und Österreich oder die Möglichkeit von Ausreiseanträgen die DDR zu verlassen ging, Blochberger fesselte. Es war sofort zu merken, dass zwei Profis auf der Bühne standen. Blochberger erzählte und das Publikum war gebannt. Er verstand es Dramatik in seine Darbietung zu bringen. Ob er die Stimme hob, wie ein Stasioffizier, einen Schuldirektor imitierte oder einen zerbrechenden Menschen darstellte, alles war glaubhaft. Er schaffte es sogar, bei so einem ernsten Thema ein Lachen zu erzeugen, indem er mit Dialekt und schauspielerischer Klasse arbeitete, ohne etwas zu verniedlichen. Dazu brachte Weinzierl den perfekten Soundtrack. Er unterstrich die gelesenen Worte so einzigartig, wie es heute kaum noch zu hören ist. Die Darbietung erinnerte an alte Hitchcock Filme. Die Fluchtgeschichten unterschieden sich stark voneinander, zeigten aber allesamt die Hoffnungslosigkeit der Flüchtenden und den absoluten Willen, dem Land zu entkommen. Am schlimmsten für die Zuhörer war der Terror, den das DDR-Regime auf Leute ausgeübt hatte, die einen Ausreiseantrag stellten.
Es war eine ungewollte aber mehr als würdige Einweihung des neuen Kulturraumes der Gemeinde Hötensleben.
Bild zur Meldung: Ich musste raus.