„Wechselnde Kulisse wirkt eher inspirierend“

24.07.2010

Interview mit der künstlerischen Leiterin des „Nabucco“-Spektakels in Marienborn - Vorhang auf für „Nabucco“!

Am 13. August wird die Verdi-Oper auf dem Gelände der

Marienborner Gedenkstätte Deutsche Teilung aufgeführt

(20 Uhr). Volksstimme sprach vorab mit der US-Amerikanerin

Melinda Thompson, der künstlerischen Leiterin dieser

internationalen Produktion.

 

Volksstimme: 

Wo fühlen Sie sich heimischer – in Amerika oder in Deutschland?

 

Melinda Thompson:

Nach 15 Jahren in Deutschland möchte ich nicht mehr auf die wunderschöne deutsche Landschaft verzichten müssen. Heimischer fühle ich mich noch in den USA, doch Deutschland ist sehr wohl zu meiner zweiten Heimat geworden.

 

Volksstimme: 

Was hat Sie damals nach Deutschland gezogen?

 

Melinda Thompson: 

Ich hatte eine besondere Liebe für die Sprache. Deutsch zu lernen fiel mir sehr einfach, was bei Amerikanern gar nicht so selbstverständlich ist. Darüber hinaus hat Deutschland viele Möglichkeiten für junge Opernsänger. In den USA haben wir nur zwei Opernhäuser, die eine volle Saison bieten und dies

sind die zwei, die ganz oben an der Spitze stehen: Metropolitan Opera und New York City Opera. Es ist wesentlich

schwerer bei uns, als junger Opernsänger eine Karriere zu

starten. Das war der ursprüngliche Grund, warum ich nach

Deutschland gekommen bin – jedoch war es die Liebe, die

mich hier festhielt!

 

Volksstimme: 

Sie sind also ausgebildete Opernsängerin.

Was hat Sie dazu bewogen, diesen beruflichen Weg einzuschlagen?

 

Melinda Thompson: 

Seit ich ein kleines Mädchen war, wollte ich auf der Bühne stehen. Glücklicherweise haben meine Eltern mich auch restlos unterstützt. Meine Mutter hatte selbst eine wunderschöne Stimme und war sehr froh, endlich ein musikalisch begabtes Kind zu haben – die restlichen vier Geschwister sind fast alle Mediziner geworden. Meine Ausbildung ist ausschließlich in der klassischen Musik, also Oper.

 

Volksstimme: 

Nun haben Sie die Bühne mit dem Produktionsleiterstuhl

getauscht. Treten Sie trotzdem selbst noch auf?

 

Melinda Thompson: 

Ja, wir machen unter anderem „Kids For Classic“-Konzerte in ganz Deutschland und der Schweiz. Dabei trete ich so oft wie möglich als Erzählerin auf. Leider singe ich nicht mehr, dafür

fehlt mir die Zeit, auch zum Üben. Opern zu singen ist wie ein Marathonlauf: ohne das tägliche Konditionstraining sollte man es lieber lassen und sich mit einem kleinen Spaziergang

zufrieden geben.

 

Volksstimme: 

Welche Rolle haben Sie am liebsten gesungen?

 

Melinda Thompson: 

Meine Lieblingsrolle bei der Oper war Susanna in „Figaros Hochzeit“, bei der Operette war es die Rosalinde in „Die Fledermaus“, bei den Musicals war es Aldonza in „Der Mann von La Mancha“.

 

Volksstimme: 

Wie ist die Kooperation mit K-Promotion, der Produktionsfirma, für die Sie heute tätig sind, entstanden?

 

Melinda Thompson: 

Ach, wie gesagt, durch die Liebe! Ich kam als Christine und Carlotta in „Phantom der Oper“ auf Tournee nach Deutschland, verliebte mich in den Tourneeveranstalter

und bin geblieben.

 

Volksstimme: 

Über den Sommer hinweg sind Sie ständig auf Open-Air-Tour. Wie gestaltet sich da die tägliche Arbeit mit den Künstlern?

 

Melinda Thompson: 

Ich arbeite nicht direkt mit den meisten Künstlern, zumindest nicht, wenn es um ein angesehenes Opernhaus geht, wie zum Beispiel bei der Schlesischen Staatsoper. Da bin ich eher im Hintergrund, überwache die Qualität auf Tournee. Aber

durch jahrelange Zusammenarbeit haben die Intendanten

unserer Opernhäuser gelernt, dass die Vorstellungen erfolgreicher sind, wenn man ein wenig auf meine Meinung achtet.

 

Volksstimme: 

Nach Marienborn kommen Sie mit der Schlesichen Staatsoper Bytom. Sind Sie selbst dort schon aufgetreten?

 

Melinda Thompson: 

Nein, nicht in der Stadt Bytom am Opernhaus. Wir haben jedoch eine „Kids for Classic“-Tournee mit Bytom gemacht, da war ich selbstverständlich als Erzählerin im Ensemble dabei, auch in Bytom während der Probezeit.

 

Volksstimme: 

Bei Nabucco es konkret mit der Oper aus? Haben Sie schon einmal in „Nabucco“ mitgesungen?

 

Melinda Thompson: 

Bei Nabucco hatte ich noch nicht die Ehre. Bei der „Zauberflöte“, der zweiten Großproduktion unserer Tournee, habe ich die Königin der Nacht gesungen.

 

Volksstimme: 

Ab wann beginnt die Zusammenarbeit zwischen Ihnen bzw. K-Promotion und den Opernhäusern?

 

Melinda Thompson:

Wir bieten unseren Partnern, in diesem Fall also der Veranstaltungsagentur, letztendlich nur fertige Produktionen an. Ich reise zu den verschiedenen Häusern, um die schon kompletten Inszenierungen anzusehen und zu beurteilen, ob wir sie auf Tournee nehmen möchten. Nachdem eine Tournee gebucht ist, tauche ich nur kurz vor der Premiere auf, um zu

sehen, ob alles glatt läuft.

 

Volksstimme:

Und dann geht es für Monate quer durch Europa. Dürfen die Künstler während dieser langen Zeit ihre Familien mitnehmen?

 

Melinda Thompson:

Das geht leider nicht. Und ganz ehrlich, es wäre den meisten viel zu anstrengend. Künstler brauchen Ruhe, besonders Opernsänger. Man muss schlafen und essen und sich auf das Wesentliche konzentrieren. Die Tournee ist hart, obwohl auch schön – man muss die Sorgen des Alltages vergessen können, um es durchzustehen.

 

Volksstimme:

Wie vereinbaren Sie die Freiluft-Aufführung in ständig wechselnden und manchmal auch außergewöhnlichen

Örtlichkeiten?

 

Melinda Thompson:

Da wir unsere Bühne – also unser „Theater“ – mitbringen, sind die Umstände für die Künstler nicht so unterschiedlich.

Selbstverständlich spielt das Wetter eine große Rolle. Alle

Sänger müssen warme Kleidung mitbringen, die sie oft auch hinter der Bühne tragen. Jeden Tag ist eine ausgiebige Tonprobe angesagt, um die Stimmen an die wechselnden

akustischen Bedingungen anzupassen. Die Schönheit der

sich immer wechselnden Kulissen vor und hinter unserer eigenen Bühne wirkt eher als große Inspiration.

 

Volksstimme:

Die Gedenkstätteliegt direkt an der Autobahn – störende Geräusche?

 

Melinda Thompson:

Wir hoffen, dass wir keine Verkehrsgeräusche

hören müssen – denn das wäre schon sehr störend,

ja. Aber Bühnenposition, Orchester und Technik werden da

schon ganze Arbeit leisten. Oft sind irgendwelche Kirchenglocken ein Problem, besonders dann, wenn sie in der falschen Tonart erklingen. Unsere Dirigenten sind aber sehr erfahren. Wenn möglich, warten sie einfach, bis das Geräusch aufhört – wenn nicht möglich, spielen wir einfach weiter und ich schimpfe leise und ausgiebig in meine Hand hinein.

 

Foto: Bühnenszene aus „Nabucco“. Die Schlesische Staatsoper kommt damit am 13. August nach Marienborn.

 

Text: Ronny Schoof - Volksstimme

 

Bild zur Meldung: „Wechselnde Kulisse wirkt eher inspirierend“